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  • Arbeits- und Sozialrecht

Überblick über die Neuregelungen im Familienpflegezeitgesetz und Pflegezeitgesetz

Im Dezember 2014 haben Bundestag und Bundesrat eine Reform des Pflegezeitgesetzes und des Familienpflegezeitgesetzes beschlossen.

Die durch das „Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf“ bewirkten Änderungen sind bereits am 01.01.2015 in Kraft getreten. Nachfolgend werden die wesentlichen Neuerungen dargestellt:

  

<b>1. Familienpflegezeit</b>

Es wird ein Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit für die Pflege eines pflegebedürftigen nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung bzw. bei minderjährigen nahen Angehörigen auch in außerhäuslicher Umgebung eingeführt:

  • Anwendungsbereich: Der Anspruch besteht nur bei Arbeitgebern, die in der Regel mehr als 25 Beschäftigte aufweisen; Auszubildende sind nicht mitzuzählen.

  • Inhalt: Der Anspruch ist auf eine Verringerung der Arbeitszeit auf mindestens 15 Stunden pro Woche durch eine schriftliche Vereinbarung gerichtet. Bei unterschiedlichen wöchentlichen Arbeitszeiten oder einer unterschiedlichen Verteilung der wöchentlichen Arbeitszeit darf die wöchentliche Arbeitszeit im Durchschnitt eines Zeitraums von bis zu einem Jahr 15 Stunden nicht unterschreiten (Mindestarbeitszeit). Der Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit kann der Arbeitgeber dringende betriebliche Gründe entgegenhalten.

  •  Dauer: Der Anspruch besteht für max. 24 Monate.

Wird die Familienpflegezeit zunächst für einen kürzeren Zeitraum beansprucht, kann sie bis zur Höchstdauer verlängert werden. Voraussetzung hierfür ist die Zustimmung des Arbeitgebers, wobei diese zu erteilen ist, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person der oder des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann.

Ist der nahe Angehörige nicht mehr pflegedürftig oder die häusliche Pflege unmöglich oder unzumutbar, endet die Familienpflegezeit 4 Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Der Arbeitgeber ist hierüber unverzüglich zu unterrichten. Im Übrigen kann die Familienpflegezeit nur vorzeitig beendet werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt.

  • Ankündigungsfrist: Grundsätzlich ist der Anspruch 8 Wochen vor Beginn dem Arbeitgeber mitzuteilen. Wird Familienpflegezeit in unmittelbarem Anschluss an eine Pflegezeit genommen, verlängert sich die Ankündigungsfrist auf 3 Monate.

  • Sonderkündigungsschutz: Mit Verlangen, frühestens 12 Wochen vor Beginn der Familienpflegezeit und während der Familienpflegezeit, darf der Arbeitgeber nicht kündigen. In besonderen Fällen kann eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ausnahmsweise für zulässig erklärt werden.

  • Nachweis: Die Pflegebedürftigkeit des nahen Angehörigen ist durch Vorlage einer Bescheinigung der Pflegekasse oder des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung nachzuweisen. Bei in der privaten Pflege-Pflichtversicherung versicherten Pflegebedürftigen ist ein entsprechender Nachweis zu erbringen.

   

<b>2. Pflegezeit</b>

Daneben besteht ein Anspruch auf Pflegezeit für die Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung bzw. bei einem minderjährigen nahen Angehörigen auch in außer-häuslicher Umgebung:

  • Anwendungsbereich: Der Anspruch besteht nur bei Arbeitgebern, die in der Regel mehr als 15 Beschäftigte aufweisen.

  • Inhalt: Es kann eine volle Freistellung oder eine teilweise Freistellung durch Reduzierung der Arbeitszeit verlangt werden. Wird eine Reduzierung der Arbeitszeit geltend gemacht, kann der Arbeitgeber der Verringerung und Verteilung der Arbeitszeit dringende betriebliche Gründe entgegenhalten. Einer vollen Freistellung kann der Arbeitgeber nicht widersprechen.

  • Dauer: Beschäftigte können eine Pflegezeit für die Dauer von bis zu 6 Monaten beanspruchen.  

Die Verlängerung einer zunächst für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch genommenen Pflegezeit bis zur Höchstdauer bedarf der Zustimmung des Arbeitgebers. Die Zustimmung hat zu erfolgen, wenn ein vorgesehener Wechsel in der Person des Pflegenden aus einem wichtigen Grund nicht erfolgen kann.

Ist der nahe Angehörige nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege unmöglich oder unzumutbar, endet die Pflegezeit 4 Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Der Arbeitgeber ist über die veränderten Umstände unverzüglich zu unterrichten. Im Übrigen kann die Pflegezeit nur vorzeitig beendet werden, wenn der Arbeitgeber zustimmt.

  • Ankündigungsfrist: Es bleibt grundsätzlich bei der kurzen Frist von 10 Arbeitstagen. Nur wenn Pflegezeit in unmittelbarem Anschluss an eine Familienpflegezeit genommen wird, beträgt die Ankündigungsfrist 8 Wochen.

  • Sonderkündigungsschutz: Mit Verlangen, frühestens 12 Wochen vor Beginn der Familienpflegezeit, und während der Familienpflegezeit darf der Arbeitgeber nicht kündigen. In besonderen Fällen kann eine Kündigung von der für den Arbeitsschutz zuständigen obersten Landesbehörde oder der von ihr bestimmten Stelle ausnahmsweise für zulässig erklärt werden.

  • Urlaubskürzung: Für jeden vollen Kalendermonat einer vollständigen Freistellung kann der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch des Beschäftigten anteilig kürzen.

 

<b>3. Verhältnis der Freistellungsansprüche zueinander</b>

Pflegezeit und Familienpflegezeit dürfen gemeinsam 24 Monate je pflegebedürftigem nahen Angehörigen nicht überschreiten (Gesamtdauer). Das bedeutet letztlich, dass max. für 6 Monate eine vollständige Freistellung von der Arbeit verlangt werden kann, im Übrigen nur ein Teilzeitanspruch besteht.

Für den Fall, dass Familienpflegezeit und Pflegezeit für denselben nahen Angehörigen genommen werden sollen, können diese nur in unmittelbarem Anschluss aneinander genommen werden. Eine zeitliche Unterbrechung soll nicht zulässig sein. Wird nicht deutlich, ob der Beschäftigte Pflegezeit oder Familienpflegezeit geltend machen will und liegen die jeweiligen Voraussetzungen vor, gilt die Erklärung als Ankündigung von Pflegezeit.

 

<b>4. Sterbebegleitung</b>

Neu eingeführt wird ein Anspruch auf Freistellung zur Sterbebegleitung für Fälle, in denen der nahe Angehörige an einer Erkrankung leidet, die progredient verläuft und bereits ein weit fortgeschrittenes Stadium erreicht hat, bei der eine Heilung ausgeschlossen ist und eine palliativmedizinische Behandlung notwendig ist und die lediglich eine begrenzte Lebenserwartung von Wochen oder wenigen Monaten erwarten lässt (§ 3 Abs. 6 PflZG). Das Vorliegen der Voraussetzung ist durch ein ärztliches Zeugnis nachzuweisen. Die Sterbebegleitung kann für die Dauer von höchstens 3 Monaten beansprucht werden.

 

<b>5. Begriff naher Angehöriger</b>

Dieser Begriff wird erweitert um Stiefeltern

(Nr. 1), Partner einer lebenspartnerschaftsähnlichen Gemeinschaft, Schwägerinnen und Schwäger (Nr. 2).

 

<b>6. Finanzierung der Pflege- und Familienpflegezeit</b>

Der Beschäftigte kann ein zinsloses Darlehen über das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beziehen. Der Arbeitgeber hat hierfür eine Bescheinigung über den Arbeitsumfang sowie das Arbeitsentgelt vor der Freistellung zu erteilen, soweit dies zum Nachweis des Einkommens aus Erwerbstätigkeit oder der wöchentlichen Arbeitszeit erforderlich ist. Ein Verstoß ist mit bis zu 5.000 € Bußgeld bewährt.

 

<b>7. Kurzzeitige Arbeitsverhinderung</b>

Unverändert bleibt es bei dem Recht, im Falle einer akuten Pflegesituation bis zu 10 Arbeitstage der Arbeit fernzubleiben, z.B. um eine notwendig gewordene Pflege zu organisieren. Neu ist in diesen Fällen ein Anspruch auf sog. Pflegeunterstützungsgeld gegenüber der Pflegekasse des zu Pflegenden gem. § 44a SGB XI. Der Anspruch besteht nur nachrangig, soweit kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegenüber dem Arbeitgeber besteht.

Ein solcher Anspruch kann sich aus § 616 BGB ergeben. Dieser wird – als tarifdispositives Recht – jedoch durch § 11 Ziff. 4.1 a) und b), Ziff. 4.2 MTV konkretisiert. Dies hat zur Folge, dass in den Fällen des § 11 Ziff. 4.1 a) MTV (Pflege des in häuslicher Gemeinschaft lebenden Ehegatten) und des § 11 Ziff. 4.1 b) MTV (Pflege eines in häuslicher Gemeinschaft lebenden Kindes, das das 14. Lebensjahr noch nicht vollendet hat) ausschließlich ein Anspruch auf Ausgleichszahlung entsprechend dem Durchschnittsstundenverdienst gem. § 8 MTV für bis zu höchstens fünf Tage im Kalenderjahr besteht. Der Anspruch gegen den Arbeitgeber auf die Ausgleichszahlung besteht wiederum nur dann, wenn kein Anspruch auf Krankengeld besteht (§ 11 Ziff. 4.2 MTV).

Im Übrigen kann sich – unabhängig vom Pflegezeitgesetz und Familienpflegezeitgesetz – ein kurzfristiger Freistellungsanspruch aus § 275 BGB ergeben.