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Viele richtige Signale, doch es fehlt an Mut
Bewertung des Koalitionsvertrages von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP: Arbeitgeber fordern mehr Vertrauen in Sozialpartnerschaft und Tarifautonomie.
„An vielen Stellen sendet der Koalitionsvertrag richtige und positive Signale. Doch in wichtigen Punkten wie der dringend überfälligen Flexibilisierung der Arbeitszeit fehlt der Ampel-Koalition der Mut. Insgesamt braucht unser Land mehr Vertrauen in die Regelungskompetenz der Sozialpartner und weniger Eingriffe in die Tarifautonomie.“
So bewertet Dr. Nico Fickinger, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände NORDMETALL und AGV NORD, den heute präsentierten Koalitionsvertrag von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP. „Statt Arbeitgebern und Arbeitnehmern in einer immer flexibler agierenden Welt mehr Bewegungsfreiheit zu geben, klammert sich die neue Regierung an den Acht-Stunden-Tag. Das hilft weder unseren Betrieben im globalen Wettbewerb noch unseren Beschäftigten bei der Vereinbarkeit von Privatleben und Beruf.“
Gute und positive Akzente setze das Vertragswerk in Teilbereichen wie etwa der Steuerpolitik, bei der Einhaltung der Schuldenbremse, der Anerkennung von Werkverträgen und Arbeitnehmerüberlassung als „notwendige Instrumente“ oder der Stärkung der beruflichen Bildung. Auch sei es löblich, dass der Missbrauch von Befristungen im öffentlichen Dienst angegangen werde. „Damit setzt die Ampel endlich an der Ursache der Missstände an und nimmt nicht die gesamte Privatwirtschaft, für die Kettenbefristungen ohnehin verboten sind, für staatliches Fehlverhalten in Geiselhaft“, so Fickinger. Das vom Grünen-Parteichef Robert Habeck angekündigte Prinzip der „lernenden Politik“ sei an dieser Stelle eingelöst.
Kritikwürdig seien dagegen unter anderem die geplanten Eingriffe in die Tarifautonomie bei der öffentlichen Auftragsvergabe und durch eine willkürliche Anhebung des Mindestlohns. Die Einführung eines Verbandsklagerechts zur Durchsetzung von Entgelttransparenz sei ebenfalls nicht im Sinne der Arbeitgeber. „Respekt vor der Arbeit der Sozialpartner sowie eine Stärkung der Tarifbindung und der Wettbewerbsfähigkeit geht anders“, rügt Fickinger. Wer sich Vokabeln wie „Tarifflucht“ bediene, missachte zudem die im Grundgesetz garantierte negative Koalitionsfreiheit. Statt die Unternehmen zu entlasten, damit sie den digitalen Strukturwandel und die ökologische Transformation stemmen könnten, bürde die neue Ampel-Regierung den Arbeitgebern mit betrieblich nicht umsetzbaren Ausbildungsgarantien und einer faktischen Homeoffice-Pflicht einseitig weitere Lasten auf.